NFTs: Panini-Bildchen für Nerds oder Kunstmarkt 2.0?

Alle reden von NFTs. Und wie bei crypto gibt es auch hier das kuriose Phänomen: diejenigen, die am wenigsten darüber wissen, haben die stärksten Meinungen dazu. Steckt mehr dahinter als ein kurzes Strohfeuer? Ist das nicht alles Zockerei? Warum sollte ich mich damit beschäftigen? Im Folgenden wollen wir ein bisschen über die mysteriöse Abkürzung aufklären. 

NFT – das steht für Non Fungible Token. Aber was soll das sein? Token, das ist ein Spielstein. Ähnlich wie Spielsteine sind auch NFTs zuvorderst Repräsentationen. So wie die Jetons im Casino stehen sie für etwas anderes. Wofür, das ist erst einmal offen. Genau das macht sie so interessant: Im Grunde können sie alles sein. Außerdem sind sie, anders als Jetons, digital. Und während das viele Vorteile mit sich bringt, verfügen digitale Assets auch über einen Nachteil: Alles Digitale lässt sich recht einfach fälschen und kopieren. Hier kommt das NF in NFT ins Spiel: Die Tokens sind Non Fungible, das bedeutet, sie sind einzigartig und bestehen grundsätzlich nur einmal. 

In der analogen Welt ist das keine Besonderheit: hier hat man es (mit der Ausnahme von Bargeld) nahezu immer mit physikalischen Objekten dieser Art zu tun. Eine Wohnung, ein Paar Schuhe oder ein Kunstwerk, das sind Einzelgegenstände, die sich nur in den seltensten Fällen kopieren oder teilen lassen. Die Art, wie wir seit Jahrhunderten Wirtschaften basiert darauf: Ressourcen lassen sich nicht kopieren oder endlos generieren und neben ihrem Nutzen beruht ihr Wert eben auf diesem Mangel. 

Probleme des Digitalen 

Die Digitalisierung hat diese Situation auf den Kopf gestellt. Digitale Objekte sind oft kopierbar, nahezu unendlich ohne dass ein Qualitätsverlust entsteht. So lassen sich Bilder miteinander teilen, Bücher kopieren und dieselbe Mp3-Datei kann, anders als eine Schallplatte, von beliebig vielen Menschen gleichzeitig gehört werden. Dieser Umstand sorgte lange für Konflikte – wir erinnern uns an die Raubkopierer-Hinweise im Kino oder auf DVDs. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich Geschäftsmodelle rund um digitale Dateien wie Musik, Spiele oder Filme, etabliert haben. Und während sich hier größtenteils Abo-Modelle durchgesetzt haben, sieht das bei digitalen Bildern anders aus. Bildende Kunst ist im digitalen Raum zwar omnipräsent (zum Beispiel in Form von Memes), bisher ist es jedoch kaum möglich gewesen, ihr einen Wert zuzuschreiben oder gar mit ihr zu handeln. Die Gründe dafür sind neben der schon genannten Kopierbarkeit im Objekt Kunst selbst zu finden. Anders als beispielsweise bei Musik oder Filmen, die ihren Wert primär daraus ziehen wofür wir sie gebrauchen (zum Beispiel zur Unterhaltung) ist das bei bildender Kunst nicht so eindeutig. Der Preis, den ein Kunstwerk auf dem Kunstmarkt erzielt, ist in hohem Maße davon abhängig, was es repräsentiert und welche Geschichte das Werk und Künstler*in haben. Kunstsammler*innen bezahlen nicht einfach für das Gefühl, das das Betrachten eines Bildes auslöst, sonst könnten sie sich auch eine Kopie an die Wand hängen. Kunst zu kaufen, bedeutet auch, sich die Teilhabe an der Geschichte eines einzigartigen Objekts zu kaufen. 

Non Fungible Tokens übertragen diese Teilhabe nun in den digitalen Raum. Und dabei sind sie bei Weitem nicht beschränkt auf Kunst. Doch werfen wir noch kurz einen Blick auf die Technik, die sich dahinter verbirgt.

NFTS & Blockchain, wie hängt das zusammen? 

Der zentrale Punkt an NFTs ist, wie oben beschrieben, die Einzigartigkeit: Jeden Token gibt es nur einmal und er lässt sich nicht teilen. Damit sind NFTs digitale Objekte, die den Eigenschaften eines realen Objekts sehr nahe kommen. Aber wie wird das technisch umgesetzt? Hierfür nutzt man eine Blockchain. Eine Blockchain ist im Grunde ein auf Kryptografie basierendes Buchhaltungssystem. Auf einer Blockchain werden alle Informationen dauerhaft gespeichert. Das Besondere: Blockchain-Technologie ist dezentral organisiert, die Datenbanken werden also von tausenden Servern gleichzeitig betrieben. Diese Technologie wird seit einigen Jahren insbesondere zur Generierung und zum Trading von Kryptowährung verwendet. Bei einer Kryptowährung wie Bitcoin handelt es sich im Grunde auch um einen Token. Aber anders als ein NFT sind Kryptowährungen fungible, also austausch- und teilbar, denn jeder einzelne Bitcoin gleicht dem anderen. Anders bei NFTs – hier ist jeder Token einzigartig und die Kollektionen sind in der Regel limitiert, z.B. auf 10.000 Stück. Die meisten NFTs werden derzeit über die Ethereum-Blockchain gehandelt, aber im Grunde ist die NFT-Technologie nicht an eine bestimmte Blockchain geknüpft. Denn bei NFTs werden nicht Bild- oder Videodatein selbst auf der Blockchain gespeichert, stattdessen verweist ein NFT über einen Link auf eine Datei, die in einer weiteren, öffentlich zugänglichen (per Peer-to-Peer Netzwerk betriebenen) Datenbank gespeichert wird. Das NFT ist also gewissermaßen ein einmaliges digitales Dokument, welches das Eigentum an einem bestimmten Objekt bestätigt. Das ist wichtig, denn dadurch sind auch andere digitale Verweise, die über eine reine Bild, Audio oder Videodatei hinausgehen (wie z.B. smart contracts), durch ein NFT abbildbar. Und auch der Vorwurf, NFTs seien Klimakiller, mag auf manche zutreffen (weil z.B. bei Ethereum jeder Block von allen Servern bestätigt werden muss und das sehr energieaufwändig ist) – mittlerweile gibt es allerdings weitaus umweltfreundlichere Blockchains. 

Und warum werden NFTs jetzt so gehyped?

Im Jahr 2021 wurden laut Reuters 25 Milliarden $ für NFTs ausgegeben. Das entspricht rund der Hälfte des weltweiten Kunstmarktes, der übrigens seit Jahren stagniert bzw. rückläufig war.

Aktuell werden vorrangig Bilder oder kurze Videos in Form von NFTs gehandelt. Und das nimmt bisweilen skurrile Formen an, zum Beispiel, wenn das NFT eines 10-sekündigen Videoclips des Internetkünstlers Beeple für 6,6 Millionen $ verkauft wird, oder Fans 2,8 Millionen $ für ein Profilbild ausgeben, auf dem ein gelangweilter Affe abgebildet ist. Was weniger bekannt ist: viele der wertvollsten NFT Kollektionen, unter anderem die ersten NFTs (wie die CryptoPunks) sind ursprünglich kostenlos oder für einen sehr geringen Preis und über einen längeren Zeitraum herausgegeben worden – früh dabei zu sein zahlt sich bei NFTs oft aus. 

Über die explosionsartige Wertsteigerung vor allem im letzten Jahr kann man nur spekulieren – oft wird vermutet, dass Covid und die zunehmende Digitalisierung ihren Anteil daran hatten. Die Sichtbarkeit von “analogen” Statussymbolen wie Autos sind begrenzt – in einem Lockdown umso mehr. Digitale Statussymbole wie die “Bored Apes”, die es nur 10.000 mal gibt, werden in einem Profilbild auf Instagram oder Twitter in jedem Post sichtbar. Und so wurde aus einem an sich austauschbaren JPG ein limitiertes NFT und daraus ein begehrtes Statussymbol, das dem Wert eines teuren Autos oder einer Yacht entspricht. 

Und  … die Kunst?!

NFTs erfüllen mittlerweile mehr als repräsentative Funktionen. Sie geben Künstlern die Möglichkeit, ihren Arbeiten einen neuen Wert zu verleihen. Denn derjenige, der ein NFT herausgibt, kann an allen weiteren Verkäufen teilhaben. So ist es endlich möglich, dass Künstler an der Spekulation mit ihrer Kunst und an jedem Verkauf mit einer prozentualen Provision (üblicherweise zwischen 2-10%) und der etwaigen Wertsteigerung ihres Werks mit verdienen. 

Käufer*innen von NFTs können auf diese Weise ihre Lieblingskünstler unterstützen und ihrer Sammelleidenschaft nachgehen. 

Doch NFTs sind auch außerhalb der Kunstszene im Kommen: Bei Computerspielen oder in der Bekleidungsindustrie. Bei Computerspielen lassen sich Gegenstände, Waffen oder Skins auf andere Spiele “mitnehmen”. Nike wiederum hat kürzlich das NFT Studio RTFKT gekauft und kurz darauf ein Patent für an NFT gebundene Sneakers angemeldet. Die Idee: ein NFT, das als Echtheitszertifikat und Besitzurkunde der realen Sneakers dient. 

Und auch für Luxusuhren werden bereits NFTs als Echtheitszertifikat verwendet. Beim Kauf einer gebrauchten Uhr über das Internet erhält der Käufer die Uhr und das NFT. Und dadurch auch die Sicherheit, dass der Verkäufer tatsächlich der Eigentümer ist. 

Eine weitere, mittlerweile stark wachsende Popularität unter den NFTs sind die sogenannten “Utility” NFTs. Hier sind sie Bestandteil eines Smart Contracts: damit werden im Vorfeld vereinbarte Leistungen (wie z.B. eine Umsatzbeteiligung) automatisch ausgeführt. Die Möglichkeiten sind vielfältig und der Phantasie keine Grenzen gesetzt, denn worauf das NFT verweist, ist vollkommen offen und kann beim Minting, also dem „Prägen“ des NFTs, festgelegt werden.

Anhand dieser Beispiele lässt sich vielleicht erahnen, dass überteuerte JPGs nur ein Aspekt sind. Und wir, unabhängig davon, am Anfang einer Entwicklung stehen, bei der NFTs auch jenseits der Kunst-, Mode- und Eventbranche Einsatz finden.


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